Sagen von Thernberg

Die Sage ist eine fromme Erhalterin und Ernährerin der Heimat- und Vaterlandsliebe, ein ureigendstes Gut des Volkes; sie treu zu pflegen ist den Berufenen eine heilige Pflicht.

Bechstein

Die Sage von Hexenbrünnel und Hexensteig

Tief im Hofauwald, rings von mächtigen Baumriesen umgeben, entspringt das Hexenbrünnel. Eine Sage erzählt, wie mehrere Kinder beim Erdbeerenpflücken an der Quelle vorbeikommend, eine liebliche Mädchenschar erblickten, die eben im Begriffe war, blühweißes Linnen in die klaren Fluten zu tauchen. Ihre zarten Füße waren unbedeckt und über die schneeigen Schultern floss eine reiche Hülle goldglänzenden Haares herab.

Die Kinder glaubten zu träumen, so ergriffen waren sie von diesem Anblick. Sie staunten daher sehr, als sich die Damen nach ihnen umwendeten, ihnen zulächelten und sie heranwinkten. Aber keine davon sprach ein Wort; nur durch Gebärden deuteten sie an, dass den Kleinen kein Leid geschähe und dass sie sich nicht zu fürchten bräuchten. Nach einer Weile waren die Kinder wieder allein. Es war nämlich Neumondnacht. Der Volksglaube sagte nämlich, dass in den Neumondnächten die Quelle ein Tummelplatz der Hexen und Geister sei. Abends konnten die Kinder nicht heimfinden, dann sie waren im Hexenkreis gefangen. Um Mitternacht konnten sie die Hexen und Geister hören, wie sie auf Besenstielen herumritten und zischten und lachten, aber sehen konnte sie keiner. In der Morgendämmerung eilten die unverletzten, ängstlichen Kinder nach Hause, den besorgten Eltern entgegen.

Die Sage vom Teufelsmühlgraben

Der Teufelsmühlgraben ist eine schmale Schlucht auf der Straße zwischen Thernberg und Bromberg. Eine Sage erzählt:

Vor Zeiten soll der Höllenfürst in dem engen Tal, und zwar im innersten finsteren Grunde eine kleine Mühle besessen und durch seine Anwesenheit die ganze Gegend unsicher gemacht haben. Alles Bitten und Flehen der Bewohner um Abwendung des Übels half nichts, denn der Teufel hatte für die Erlaubnis zur Errichtung der Mühle dem Himmel eine ihm verfallene Seele freigegeben. Es hieß auch , dass der Spuk aufhören würde, sobald es einem Sterblichen möglich sein wird, neun Tage lang des Teufels Gehilfe zu sein. Viele hatten dies schon versucht und waren entweder gar nicht, oder gebrochen an Leib und Seele zurückgekehrt.

Da kam einmal zufällig ein junger Müllersbursch in die Gegend und hörte von der Teufelsmühle. Jung, mutig und kühn wie er war, von einem Drang nach Abenteuern und großen Taten beseelt, reifte ihm sofort der Entschluss das gefährliche Unternehmen zu wagen. Schon in der folgenden Mitternacht begab er sich auf den Weg zur Teufelsmühle und wurde von einem Menschen mit Bockfüssen empfangen, welcher ihn mürrisch und in abgebrochenen Sätzen um sein Begehr fragte. „Nichts, als neun Tage dein Mahlknecht zu sein“, war die Antwort des Unerschrockenen. Ein hässliches Lachen folgte und beide traten hierauf in die Mühle. –

Als dann am neunten Tage ein müder, gebrochener Greis mit weißen Haaren aus derselben schritt, hätte wohl niemand in ihm den rüstigen Burschen von früher erkannt, wenn nicht das Aufhören des unheimlichen Spukes ein Beweis dafür gewesen wäre. Was der Waghalsige aber in der kurzen Zeit alles erlebte, hat man nie erfahren, doch muss es wohl Schreckliches gewesen sein.

Die Sage vom Grünhütl

Vor vielen, vielen Jahren hatte ein Jägersmann bei der Ausübung des edlen Waidwerkes großes Pech. Aus Wut darüber stieß er viele Verwünschungen aus, unter anderem: “ Wenn mir doch jemand helfen könnte und sollte es selbst der Teufel sein!“

Kaum waren diese lasterhaften Worte ausgesprochen, sah er einen spindeldürren Mann in Jägerkleidung vor sich stehen, der ihn sogleich anredete und nach der Ursache seines Missmutes fragte. Als der Jägersmann darauf erwiderte, dass ihn schon seit einiger Zeit das Jagdglück fehlte, griff die dürre Erscheinung kurz in die Tasche und reichte ihm eine kleine blaue Kugel hin. Dabei sagte er: „Diese Kugel ist eine Wunderkugel, sie trifft unfehlbar und kehrt jedes Mal in das Rohr zurück, daraus man sie abgeschossen hat. Ich biete sie dir, wenn du mir versprichst, nach neunmal neun Jahren mein zu sein.“ –

Anfangs zögerte der Angeredete, denn er ahnte, mit wem er es zu tun habe, doch der Dürre hatte ihm bereits die Kugel in die Hand gedrückt und war verschwunden. 81 Jahre schienen ihm ja eine lange Zeit und es war ihm egal, was nachher sein würde. Jahr um Jahr verging im Jagdglück. Doch allmählich kam des Grünrock’s Zeit. Noch einmal wollte er die verderbenbringende Kugel schießen. Ein fetter Rehbock erregte seine Aufmerksamkeit. Aber so sehr er sich auch bemühte, das flüchtige Tier einzuholen, nie konnte er zum Schuss kommen. Da endlich – es war an der gleichen Stelle unter der alten Buche, wo vor Jahren der unheimliche Pakt geschlossen wurde – hielt das Wild an und stellte sich in Schusslinie. Der Jäger riss das Gewehr an sich, zielte und im nächsten Augenblick stürzte er selber von der Kugel getroffen, tot zur Erde nieder. Abergläubische Leute fürchten heute noch das Grünhütl.

Die Sage von der Krönlnatter

Unter den Nattern gibt es eine, die ein hübsches Krönlein auf dem Haupte trägt, es ist die Krönlnatter. Das Krönlein glänzt von Gold und Edelstein und ist kostbarer als eine Königskrone. Um es zu erlangen, muß man am Pfingstsonntag vor der Behausung der Natter ein weißes Tüchlein ausbreiten und warten. Zur Mittagszeit kommt sie hervor, und sieht sie das weiße Tüchlein, so legt sie das Wunderkrönlein darauf. Alsdann schlüpft sie in das weiche Gras, sonnt sich und schläft ein. Nun heißt es flink das Tüchlein mit dem goldenen Schmuck fassen und mit Windeseile entfliehen. Aber wehe dem Dieb, wenn die Schlange zu früh erwacht! Mit Blitzesschnelle und in unbändiger Wut verfolgt sie hierauf den Räuber, der ihr dann sehr schwer zu entrinnen vermag.

Da lebte einmal im Dorfe Thernberg ein Bauer in Not und Elend. Vor einigen Tagen hatte ihm ein böses Feuer Haus und Hof vernichtet und ihn zum Bettler gemacht. Tag und Nacht dachte er nach, wie er wieder zu Geld kommen und sein Anwesen aufbauen könne. Da kam ihm die Natter mit dem kostbaren Krönlein in den Sinn, das er gar zu gerne gehabt hätte. Und am Pfingstsonntag nahm er den Weg in den Bergwald und suchte so lange, bis er das Nest des Wundertieres aufgespürt hatte. Er fand es an einem steilen Bergabhang und erblickte unweit davon die Krönlnatter zusammengerollt und im tiefen Schlafe liegend. Das Krönlein stak ihr auf dem Kopfe und blitzte und funkelte gar wundervoll. Behutsam legte er ein weißes Tuch hin und siehe da! Die Natter kam schlängelnd heran und legte das goldene Krönlein darauf. Hierauf zog der Bauer ein Rädchen aus der Tasche und ließ es den Berg hinabrollen. Die Natter, im Glauben, es wär ein Tier, stürzte dem rollenden Rädchen wild und hastig nach und verfolgte es bis zum Bergesfuße.

Mittlerweile hatte der Bauer gewonnenes Spiel. Rasch faßte er das Tüchlein mit dem kostbaren Geschmeide und eilte flink davon. Als die betrogene Natter wieder zu ihrem Neste kam, war das Krönlein längst in sicherem Gewahrsam. Der Bauer verkaufte den Schatz und erbaute sich von dem Erlöse einen prächtigen Hof. Lange Zeit lebte er glücklich und zufrieden, bis er eines Tages im Teufelsmühlgraben mit zerbissener Kehle tot aufgefunden wurde. So hatte die Natter an dem Krönleinräuber Rache genommen.

Text: Elisabeth Ofenböck, ehem. Leiterin der Volksschule